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Maison Etable (2025)


Ein rustikaler Vierkanthof, mitten im belgischen Nirgendwo. Hinter ein paar Bäumen verborgen, direkt an einer schmalen Landstraße gelegen – unscheinbar, fast wie aus Versehen dort abgesetzt. Der Zugang ist einfach, zumindest im Frühling. Ein schmaler Pfad führt in den Innenhof, der bereits von Dornpflanzen überwuchert wird. Noch ein Monat, und man braucht hier ein Buschmesser und gute Nerven.

Das Wohnhaus überrascht – kein Vandalismus, keine gesprengten Türen, keine Graffiti-Exzesse. Fast alles ist noch da. Nur die Feuchtigkeit hat ihre Spuren hinterlassen. Schimmel zieht sich durch Tapeten und Stoffe, schleicht sich in die Ritzen der Möbel. Und trotzdem: Eine eigenartige Stille, fast wohnlich.

Auf dem Kaminsims stehen Jesusfiguren, als hätten sie das Haus nie verlassen. Direkt davor: eine Wäscheleine mit alten Socken, vergessen in einer Zeit, als hier vielleicht noch jemand Ordnung hielt – oder einfach nicht mehr dazu kam. Die hölzerne Decke strahlt etwas Heimeliges aus, und in der Ecke wartet ein wunderbar erhaltener
ITT-Kassettenrecorder, der vermutlich noch immer spielt – wenn man ihn nur füttern würde. Mit Strom. Und Vertrauen.

Im Schlafzimmer dann ein Bruch. Der Landwirt entpuppt sich – zumindest posthum – als Freund expliziter Literatur. Auf dem Bett liegen diverse pornografische Schriften, vergilbt, aber inhaltlich noch voll bei der Sache. Niemand interessiert sich mehr dafür. Und genau das macht sie so seltsam anrührend. Vergessen, aber nicht versteckt.

Ich wechsle das Gebäude. Ein Nebentrakt, etwas tiefer gelegen. In einer Ecke: eine alte Kühltruhe. Ich bleibe stehen. Schaue. Tue nichts. Ich habe zu viele Folgen Dexter gesehen, um hier den Deckel zu öffnen. Manchmal ist Unwissen der bessere Zustand.

Dafür entdecke ich noch eine gut sortierte Werkstatt – Schraubstöcke, Werkzeug, Kaffeetasse im Staub. Alles bereit für den nächsten Griff, der aber nie mehr kommt.

Die Luft wird schwerer, die Zeit weicher. Und dann ist der Moment da, an dem man weiß: Jetzt ist es gut. Genug gesehen, genug behalten. Zeit zu gehen.



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