Die Krypta (2009)
Einige Meter unter der Erde, im faden Licht einiger Deckenlichter, erschließt sich mir eine traurige Welt. Eine großflächig angelegte Krypta, dessen Gräber schon lange keine Besucher mehr haben. Seit den 1980er Jahren fanden hier keine Bestattungen mehr statt. Ein modriger, erdiger Duft hängt in der sehr feuchten Luft. Abgeschieden von den Alltagsgeräuschen der Großstadt nimmt mich eine zartbittere Traurigkeit gefangen, die mich diesen Tag nicht mehr loslassen wird. Nur vereinzelnd erreichen Sprachfetzen oder Trittgeräusche des darüber liegenden Friedhofs meine Ohren und lassen mich wissen, dass die Normalität nur wenige Meter über mich in Erreichbarkeit liegt.
Eine kalte Stille liegt hier in den Mauern, die durch Feuchtigkeit und Frost teilweise aufgebrochen sind. Sind es die Gräber der Kinder, die in der damaligen Zeit bei ernsthaften Erkrankungen keine Chance hatten? Sind es die vergilbten Kunstblumen, an denen verstaubte Spinnweben hängen, vor Jahrzehnten von trauernden Angehörigen liebevoll abgelegt? Traurigkeit wächst in mir, mit jedem Meter, den ich tiefer in die Krypta gehe. Ohnmacht gegenüber der Tatsache, dass auch ich irgendwann in einem Grab liegen werde?
Nach 2 Stunden gelange ich wieder ans Tageslicht. Die Traurigkeit kann ich im Laufe des Tages wieder abschütteln. Den Eindruck dieser Krypta werde ich jedoch nie vergessen. Die heute denkmalgeschützte Grabanlage wurde 1878 erbaut und ist dem Verfall preisgegeben, wenn sie nicht bald saniert wird.