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Château Cinderella (2019)


Es gibt Lost Places, die sofort das Kopfkino starten. Château Cinderella ist so einer. Der Name klingt nach Glanz, Ballkleid und Kristallluster – und tatsächlich bringt das Anwesen noch heute eine gewisse Eleganz mit, selbst wenn der Lack langsam, aber sicher ab ist.

Beim Betreten fällt auf: Für urbex-Verhältnisse ist der Zustand überraschend gut. Zwar haben ein paar Sprayer ihre Spuren hinterlassen und auch der obligatorische Vandalismus hat nicht gänzlich Halt gemacht, doch im Großen und Ganzen wirkt das Château fast… gepflegt. Jedenfalls im Vergleich zu vielen anderen Objekten, die schon deutlich schlimmere Zeiten gesehen haben.

Was das Gebäude besonders reizvoll macht: Kein Raum gleicht dem anderen. Jeder erzählt eine eigene Geschichte – mal verspielt mit Stuck, mal klar und nüchtern, mal fast schon bizarr in der Mischung aus Altbaucharme und Wellness-Design. Diese Vielfalt macht die Location für Fotografen wie mich zur echten Spielwiese.

Natürlich war ich nicht allein. Château Cinderella scheint sich herumgesprochen zu haben, denn auch ohne offizielle Erlaubnis ist der Besucherandrang überschaubar, aber stetig. Andere Explorer kreuzen den Weg, Kameras klicken, Schritte hallen. Ganz allein erlebt man diesen Ort eher selten.

Weniger erfreulich war jedoch ein wiederkehrendes Motiv, das in nahezu jeder Badewanne auftauchte: Kunstblut. Offenbar diente das Anwesen wiederholt als Kulisse für blutige Inszenierungen – ob als Gruselshooting oder für fragwürdige Horror-Ästhetik. Persönlich finde ich solche Hinterlassenschaften deplatziert. Der Ort hat genug Ausdruck, braucht keine inszenierte Gewalt, um zu wirken.

Ein Blick in die Geschichte verrät: Das Château war einst ein nobles Restaurant, das seine besten Zeiten während des aktiven NATO-Flugbetriebs in der Nähe erlebte. Gut betuchte Gäste, gepflegte Abende, Champagnergläser, die aneinanderklingen – das war einst Alltag hier. Später wurde aus dem Gourmettempel ein Wellnessbereich mit Sauna und Massageräumen. Doch irgendwann kam der Bruch. Das Konzept ging nicht auf – und die letzte Kundschaft war nicht mehr die zahlungskräftige, sondern die urbane Entdeckergemeinschaft.

Heute steht das Gebäude leer. Aber nicht völlig aufgegeben – denn es wird offiziell zum Verkauf angeboten. Ein Comeback ist also theoretisch möglich. Die Frage ist nur: Wer hat genug Fantasie (und Kapital), um Cinderella wieder in ein echtes Schloss zu verwandeln?

Sehenswertes im Netz zum Objekt: Ein
Video von "The Lost Place Tapes" sowie die Fotos vom Spurensammler, der mit mir zeitgleich dort gewesen ist.


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