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Brikettfabrik Grube Carl (2001)


In Frechen-Benzelrath bei Köln ist die Brikettfabrik Carl der Firma Rheinbraun AG zu finden. Es ist die letzte vollständig erhaltene Anlage ihres Alters in der Bundesrepublik. Der Großteil der Fabrikanlage wurde von 1905 bis 1907 erbaut und ist im Dezember 1995 stillgelegt. Seitdem hat sich auf dem Gelände nichts getan.

Laut eines Gutachten des
Rheinischen Amt für Denkmalpflege ist der gesamten Fabrik ein Denkmalwert zuerkannt worden. Bei der Stadt Frechen wurde ein Antrag auf Eintragung in die Denkmalliste gestellt, jedoch hat die Stadt andere Absichten im Bezug auf die Brikettfabrik. Hier soll ein Stadtteilzentrum mit Wohnungen, Läden und anderen gewerblichen Einrichtungen entstehen. Diese Geschichte kommt mir bekannt vor: Aldi kommt, Denkmal geht. Drei Gebäude der Brikettfabrik sollen unverändert bleiben, sieben werden abgerissen. Jedoch sollen sämtliche Maschinen entfernt werden, denkmalpflegerische Aspekte beinhalten nur eine Konservierung der Außenhüllen einiger Bauteile der Gebäude.

Im Inneren des Trocken- und Pressenhaus befinden sich Brikettpressen, die bis zuletzt mit Dampf angetrieben worden sind. Die älteste Maschine wurde 1913 gebaut. Neuere Bausubstanz finden wir in den Fabrikerweiterungen aus den Jahren 1928 und 1930. Hierbei handelt es sich um den Nassdienst, der elektrischen Zentrale, einem Mitteldruck-Kesselhaus, einem weiteren Kühlhaus, verschiedenen Bandbrücken, der Verladehallen und einen Kohlenbunker mit Bahnanschluss. Eine
Dampfturbine von 1938 in der Zentrale ist eine der ältesten ihrer Art in Westdeutschland.

Die
Brikettfabrik Carl stellt eine in sich geschlossene Einheit dar, die die Produktionsschritte der Brikettherstellung in einmaliger Weise dokumentiert. In der Vollständigkeit hebt sie sich sogar von den letzten vier in Ostdeutschland museal erhaltenen Brikettfabriken ab.

Die
Braunkohle wurde zuerst nicht als Kohle erkannt, sondern Torf genannt und wie Torf gestochen. Jeder durfte Torf stechen, es war das Heizmaterial des kleinen Mannes. Um 1900 ging der Abbau zum Groß- und Tieftagebau über. Hierfür entwickelte man große Bagger, die immer größer wurden. Transportbänder wurden immer länger. 1858 entwickelte man die Ziegel-Presse, die Briketts entstanden. Vormals wurde die Kohle mit Wasser und Ton vermengt und in Eimer geschlagen. Der Heizwert war damals noch sehr niedrig. Das erste verkaufsfähige Brikett kam 1873 in Halle / Saale auf den Markt; im Rheinischen Revier jedoch erst 1877. Durch das Brikett-Verfahren wurde die braune Kohle rentabel.

Mit dem
Bergarbeiter-Streik im Ruhrgebiet (1889) entstand ein Engpass in der Steinkohle-Versorgung: Das hat die Braunkohle ausgenutzt. Der Durchbruch am Markt gelingt, in Haushalten, Schmieden und kleineren Fabriken kommen die Briketts zum Einsatz. Es folgten Verkaufs-Zusammenschlüsse, der Begriff "Union-Brikett" ist vielen ein Begriff.

Im Rheinischen Revier gibt es noch keine Museum hierzu. Grube Carl wäre ein hervorragendes Objekt hierfür gewesen. Das einzige Museum in Deutschland ist die
Brikettfabrik Zechau bei Zeitz in Sachsen-Anhalt. Heute ist die Gewinnung von Braunkohle sehr mechanisiert worden. Riesige Schaufelradbagger schaffen Mengen von 240.000 cbm Erde oder Braunkohle fort. Die Größe solcher Bagger: 96 Meter - wie ein achtstöckiges Haus. Ganze Dörfer und Städte müssen dem Abbau weichen, sie werden an anderen Stellen wieder aufgebaut. Aus dem gewaltigen Abraum entstehen künstliche Berge. Diese Gruben werden verfüllt - mit dem Abraum der nächsten Grube. Man entwickelt aus diesen neuen Industrielandschaften neuen Lebensraum, neue Naturschutz-Reservate; es entsteht Industrie-Natur. Die Narben bleiben jedoch auf ewig sichtbar.

Heutige Gruben sind bis zu 350 Meter tief. Die Mühen eines Abbaus sind gigantisch; das Verhältnis von Abraum zu Kohle ist 6:1. Für eine Rentabilität benötigt man riesige Felder und Kapital. Im
Rheinischen Revier gibt es drei ganz große Gruben: Inden, Hambach sowie Garzweiler. Neben diesem Revier gibt es in Deutschland auch das Lausitzer Revier, das Gebiet um Bitterfeld und den Bereich Arnsdorf bei Kassel.
Im Rheinischen Revier, das im Raum Köln-Aachen-Mönchengladbach liegt, lagern rund 55 Milliarden Tonnen Braunkohle. Davon ist mehr als die Hälfte wirtschaftlich gewinnbar. Rheinbraun fördert jährlich bis zu 120 Millionen Tonnen Braunkohle. Davon werden rund 85% zur Stromerzeugung und 15% für die Veredelung zu Briketts, Koks, Staub, Wirbelschichtkohle und Synthesegas eingesetzt. Die Anfänge der Frechener Brikettfabriken gehen auf die Zeit um die Jahrhundertwende zurück.

Nachtrag 09/2002: Bei meinem neuen Besuch sind einige Nebengebäude bereits entfernt worden. Das Haupthaus mit einigen Nebenhäusern steht noch. Anscheinend gibt es Bemühungen um den Erhalt wesentlicher Teile der Grube Carl.

Nachtrag 10/2003: Die Entkernung der Brikettfabrik Carl schreitet massiv voran. Die ersten Dampfpressen sind bereits durch metergroße Löcher in den Wänden herausgerissen worden. Das Gebäude der Grube Carl soll eine Nachfolgenutzung in Form von Wohn- und Geschäftsräumen folgen. Man spekuliert, dass eine Presse - Hochglanzpoliert und hinter Glas - erhalten wird.

Nachtrag 2008: Mittlerweile sind im Haupthaus sowie Nassdienst
Wohnungen bezogen. Zu meiner Überraschung ist die Außenfront weitgehend erhalten geblieben. Ob und in welchem Umfang Pressen erhalten geblieben sind, ist mir unbekannt.

Nachtrag 2015: Die Aussenfassade der Fabrik ist weitestgehend erhalten. Mehrere Wohneinheiten entstanden im ehem. Hauptgebäude und einzelnen noch erhaltenen Nebengebäuden der Fabrik. Ebenfalls siedelten sich dort Geschäfte (Frisör, Fitnessstudio) und mehrere Firmen und Interessengemeinschaften nieder (z.B. Anwälte, Psychologen,
DeinSchrank). Ein Förderband am Hauptgebäude sowie eine Presse und mehrere riesige Zahnräder blieben als Andenken erhalten. Ebenfalls angesiedelt hat sich in den denkmalgeschützten Gebäuden eine Kindertagesstätte des Caritas e.V. (Vielen Dank an Jacqueline für das Update)


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