Kloster St. Anna (2009)
Nach einer Runde um das verwinkelte Objekt habe ich eine offene Tür gefunden. Laut schlägt sie hinter mir zu, der Lärm hallt tief in das Gebäude hinein. Ein leichter Windzug weht muffigen und feuchten Duft zu mir. Die Tapeten hängen herab, durch die wenigen eingeschlagenen Scheiben ist über die Jahre viel Laub in die Zimmer geweht. Das Kloster beherbergte früher überwiegend geistig und körperlich behinderte Menschen. Im Erdgeschoss finde ich zahlreiche Unterkünfte, in denen Kinder untergebracht worden. Bunte, fröhliche Dekorationen hängen noch von der Decke oder sind an die Wände gemalt worden. In den oberen Geschossen sind Räume zu finden, die einen Krankenhauscharakter haben. Gemeinschaftsräume, Bäder und Untersuchungsräume wechseln sich regelmäßig ab. Im Dachgeschoss waren die Räume, teilweise auch Wohnungen, der Belegschaft. Der Innenhof des ehemaligen Klosters ist ein Spielplatz mit Schaukel, Wippe und einem kleinen Pool.
Durch eine schwere Holztür erreiche ich die Kirche. Langsam schreite ich durch die leeren Reihen zum Altar. Es ist sehr leise hier, ich höre mich atmen. Alles ist so, als ob morgen der nächste Gottesdienst stattfinden würde. Es fällt mir fast schwer, hier Fotos zu machen. Plötzlich höre ich draußen jemanden schreien. Der Schrei ist lange, nur von kurzen Pausen unterbrochen. Es ist kein Schrei, den man kennt, wenn man sich erschreckt oder einfach nur Aggression herauslassen will. Es ist ein irrer Schrei, der Wahnsinn in sich trägt. Obwohl nach einigen Minuten wieder Ruhe einkehrt, verlasse ich das Kloster. Auf dem Weg durch den großzügig angelegten Park sehe ich eine Frau, die einen Puppenwagen vor sich herschiebt. Sie grüßt mich freundlich. Ein Mann, der sich mit etwas vor im unterhält, jedoch ist dort niemand. Saß dort hinten auf der Parkbank nicht eben jemand?
Es scheint so, dass die dem Kloster umgebene Gebäude betreute Lebensgemeinschaften sind. Das Erlebte gibt vielleicht nur einen kleinen Eindruck wieder, wie schwer - und zugleich wichtig - die Arbeit mit behinderten Menschen ist.
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