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Krankenhaus St. Antonius (2010)


Das Krankenhaus St. Antonius steht seit vielen Jahren leer. Und doch wirkt es nicht wirklich verlassen. Die Zeit hat es hinter sich gelassen – aber es scheint, als hätte das Gebäude selbst das noch nicht bemerkt.

Schon bei der Ankunft fällt auf: Die Bausubstanz ist erstaunlich gut erhalten. Keine offenen Fassaden, keine komplett zerfallenen Dächer. Und doch ist die Stimmung trügerisch. Denn innen ist es anders.

Ich komme Jahre zu spät – das ist mir schnell klar. Was einst als medizinischer Betrieb funktionierte, ist nur noch ein Gerippe. Die Flure sind leer, das Mobiliar fast vollständig verschwunden. Die Spuren des Lebens sind verwischt. Was geblieben ist, wurde beschädigt. Vandalismus, sinnlos und hässlich, hat sich durch das Haus gefressen. 2010 brannte der Dachstuhl – ein Feuer, das die Feuerwehr in Bewegung setzte und dem Gebäude endgültig seine Schutzhaut nahm.

Die Raumstruktur verrät, dass man hier modernisieren wollte – von unten nach oben. Die beiden oberen Etagen tragen noch den Charme längst vergangener Krankenhauszeiten, klinisch, aber veraltet. Wahrscheinlich wurden sie in den letzten Betriebsjahren kaum noch genutzt. Vielleicht fehlte das Personal. Vielleicht einfach das Geld. Die unteren Stockwerke hingegen sind teils modernisiert – helle Behandlungsräume, zeitgemäße Patientenzimmer, OP-Bereiche mit abgeklebten Sichtfenstern. Alles steht still, aber nichts ist endgültig.

Im Parterre stoße ich auf ehemalige Vorratsräume, kleinere Labore, abgedunkelte Kammern mit rostigen Halterungen und aufgequollenen Schränken. In einem seitlichen Anbau verwest langsam die einstige Kantine – muffiger Teppich, fettverkrustete Theken, zerbrochene Plexiglashauben. Der Raum riecht nach Gummi, altem Bratfett und Schimmel. Niemand möchte hier mehr essen.

Anders als in vielen anderen Objekten fühle ich mich hier nicht willkommen. Das liegt nicht nur an der eisigen Kälte, die durch die zerbrochenen Fenster dringt. Es liegt an der Enge, an der Unübersichtlichkeit des Baus. An der Art, wie der Schatten aus der nächsten Türöffnung einen halben Schritt zu lang bleibt.

In manchen Ecken riecht es nach Urin. Exkremente – menschliche oder tierische? Ich weiß es nicht. Ich möchte es auch nicht wissen. Das Gefühl, beobachtet zu werden, begleitet mich wie ein stiller Dritter. Immer wieder glaube ich, jemanden gehört zu haben. Schritte. Stimmen. Und jedes Mal – nichts.

Vielleicht ist es Einbildung. Vielleicht ist es Instinkt. Vielleicht ist es auch nur das Wissen, dass dieser Ort noch nicht zur Ruhe gekommen ist.

Krankenhäuser sind Orte des Übergangs. Hier wurde geboren, hier wurde geheilt, hier wurde gestorben. Und wenn ein solcher Ort leersteht, bleibt ein Echo zurück. St. Antonius ist nicht laut. Aber es flüstert.

Und manchmal schreckt es auf.


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