
Bureau Central (2015)
„Ich war schon einmal hier!“, sage ich, als wir vor dem Bureau Central stehen. Und tatsächlich: Es war 2001, als ich zum ersten Mal nach Hayange kam – auf dem Rückweg von den beeindruckenden Hochöfen der Lorfonte-Gruppe in Frankreich. Damals war das Werk noch in Betrieb, schwer zugänglich, unnahbar. Auch das Verwaltungsgebäude, das heute als Bureau Central bekannt ist, stand bereits verlassen. Nur: Zugang? Undenkbar.
Heute, über 20 Jahre später, ist alles anders. Hayange wurde 2011 endgültig stillgelegt, zehn Jahre nach meinem ersten Besuch. Und das Bureau Central steht noch immer – aber diesmal öffnet es seine Türen. Oder besser gesagt: Sie stehen bereits offen.
Was mich empfängt, ist nicht Ruine, sondern eine Zeitmaschine. Der Verfall hier ist nicht das Ergebnis von Wut oder Zerstörungsdrang. Es ist der natürliche Alterungsprozess eines Ortes, der sich selbst überlassen wurde – und genau darin liegt seine stille Schönheit. Kein Vandalismus, keine Graffiti, kein Glasbruch um des Glasbruchs willen. Nur Patina. Und Stille.
Die Architektur ist eindrucksvoll – zurückhaltend, funktional, mit einem Hauch von Repräsentation. Vieles erinnert mich an die verlassenen Heilstätten von Beelitz. Lange Flure, hohe Türen, geometrische Fensterformen. Und überall dieser matte Glanz der 20er Jahre, leicht verschleiert vom Staub der Jahrzehnte.
Alle Fensterjalousien sind geschlossen. Das bedeutet: kaum Licht. Für Fotografen wie mich, die ohne Blitz und künstliche Beleuchtung arbeiten, eine echte Herausforderung. Die Belichtungszeiten liegen zwischen zehn und dreißig Sekunden. Jeder Raum fordert Geduld. Aber genau das macht es spannend.
Und ich bin nicht allein. Innerhalb von zwei Stunden treffe ich vier Gruppen internationaler Explorer. Mal ein kurzes Nicken, mal ein Austausch über Belichtungszeiten, Architekturdetails oder die beste Perspektive im Hauptflur. Trotz der Begegnungen steht sich niemand im Bild – das Gebäude ist so groß, dass sich alle fast beiläufig aus dem Weg gehen.
Ich vermute, dass das Bureau Central in den 1990er Jahren geschlossen wurde. Die Bauweise spricht für eine Errichtung in den späten 1920er Jahren – klare Linien, solide Materialien, ein Hauch Bauhaus im Industriegewand.
Früher wurden hier Lohnscheine geschrieben, Produktionszahlen gewälzt, Besprechungen geführt. Heute erzählt das Gebäude auf seine eigene Weise – von Arbeit, Wandel und Stillstand. Und davon, dass manche Orte erst dann zugänglich werden, wenn sie lange genug vergessen wurden.

































































