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Friedrich-Krupp Hüttenwerk Rheinhausen (2001)


Was heute wie ein Kapitel aus einem alten Geschichtsbuch klingt, war einst das Herz einer ganzen Region: das Hüttenwerk Rheinhausen, errichtet auf Initiative von Friedrich Alfred Krupp. Ende des 19. Jahrhunderts platzten die alten Hochofenwerke der Firma Krupp am Mittelrhein aus allen Nähten. Ein neuer Standort musste her – mit Kohlevorkommen in greifbarer Nähe und logistisch perfekt am Rhein gelegen. Rheinhausen war die ideale Wahl.

Frühjahr 1896: Die Bauarbeiten beginnen. Schon am 18. Dezember 1897 werden die ersten beiden Hochöfen angeblasen. Ab 1900 wird hier SM-Stahl, ab 1905 auch Thomasstahl produziert. Und ab 1904 trägt das Werk seinen neuen Namen: Friedrich-Alfred-Hütte – eine Hommage an seinen Gründer.

Europas größtes Hüttenwerk

Bis zum Ersten Weltkrieg wächst die Hütte rasant. In ihren besten Jahren ist sie zeitweise das größte Hüttenwerk Europas. Hergestellt werden Stab- und Profilstahl, Schienen, Schwellen, Walzdraht – alles, was die wachsende Industrie braucht. Doch der Fortschritt folgt nie einer geraden Linie.

Weltkriege, Wirtschaftskrise, Wiederaufbau – immer wieder wird das Werk zurückgeworfen, doch stets wieder aufgebaut. Auch im Zweiten Weltkrieg bleibt es weitgehend unversehrt. Zwei Walzanlagen werden nach Kriegsende zwar demontiert, doch 1947 wird das Werk von der Demontageliste gestrichen – und darf bleiben.

Im gleichen Jahr wird es neu organisiert: Aus der Friedrich-Alfred-Hütte wird die Hüttenwerk Rheinhausen AG.
Die Produktion läuft wieder an. Die Hochöfen werden modernisiert, die Möllerung erneuert. Rheinhausen lebt – und ernährt eine ganze Region.

Stahlkrise: Der Anfang vom Ende

Dann kommt der Einbruch. Dezember 1982: Krupp verkündet die Schließung des Walzwerks Rheinhausen.
Ein Schock – tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr. Die Begründung: Nicht konkurrenzfähig auf dem subventionierten Weltmarkt.

Es ist ein Symbol für die Stahlkrise, die seit Mitte der 1970er Jahre über das Land rollt. In ganz Deutschland stehen mehr als 200.000 Jobs in der Stahlbranche auf der Kippe – nur der Bergbau ist noch stärker betroffen.

Und dann: Der Widerstand.

Rheinhausen kämpft – und wird zum Symbol

10. Dezember 1987: Arbeiter besetzen die Rheinbrücke. Rheinhausen wird zur Bühne eines beispiellosen Protests.
Die ganze Stadt macht mit. 60.000 Menschen stemmen sich gegen das drohende Aus – mit Mahnwachen, Demos, Gottesdiensten, Schüleraktionen und Menschenketten durchs gesamte Ruhrgebiet. Ganz NRW steht unter Strom: Heute Rheinhausen – und morgen?

Doch der Kampf ist am Ende nicht genug. 14. August 1993: Das Hüttenwerk Rheinhausen wird endgültig geschlossen.

Was bleibt, ist Fläche. Viel Fläche.

Was einst das Rückgrat der Region war, liegt nun brach. 265 Hektar Industriegeschichte. Der letzte Stahl gegossen, die Öfen kalt, die Hallen leer. 1998 kauft die Duisburg-Ruhrorter Häfen AG das Gelände und beginnt mit dem Aufbau von Logport, einem modernen Logistikzentrum. Ein Stück Industrie verschwindet – ersetzt durch eine neue.

Mein Besuch – viel zu spät

Ende Juli 2001: Ich betrete das Gelände. Was ich vorfinde, ist nur noch ein kläglicher Rest einer einst gigantischen Anlage. Drei Hallen, ein paar Nebengebäude – und die Kokerei, klein, aber markant, mit ihrem architektonisch auffälligen Kohlebunker.

Zwischen rostigem Blech und kontaminiertem Boden wird klar: Hier wurde nicht nur gearbeitet – hier wurde auch geschunden. Die Umwelt, die Substanz, die Menschen. Speditionen rollen an, der Wandel ist nicht aufzuhalten. Doch was mich schockiert: Es bleibt nichts zurück. Keine Halle, kein Denkmal, kein Erinnerungsort. Nur Straßennamen wie Friedrich-Alfred-Straße oder Krupp-Platz erinnern noch an das, was einmal war.

Warum wird alles plattgemacht?

Ich verstehe es nicht. Warum bleibt nicht wenigstens eine Halle stehen? Warum gibt es keinen Ort des Gedenkens für ein Werk, das ganze Generationen prägte? Die ehemaligen Werkswohnungen bleiben. Aber der Ort, an dem Tausende Tag für Tag geschuftet haben – der verschwindet einfach.

Ein Grund mehr für dubtown

Es ist genau dieser Ort, der mir zeigt, wie wichtig meine Arbeit ist. Fotografieren, dokumentieren, erhalten – zumindest im Bild. Deshalb habe ich Rheinhausen in Schwarz-Weiß gehalten. Nicht aus Nostalgie, sondern weil es so realer wirkt. Härter. Klarer. Wahrhaftiger.

Nachtrag 2003

Die letzten Reste sind inzwischen vollständig verschwunden. Die Kokerei, die Hallen, das Kraftwerk – alles abgerissen. Selbst die unter Denkmalschutz stehende Werkstatt – weg. Was bleibt, sind meine Aufnahmen aus 2001.
Historische Bilder, die zeigen, was Rheinhausen einmal war:

Ein Herz aus Stahl. Und ein Ort, den man nicht einfach löschen sollte.
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